Einführung & physikalische Grundlagen

Kavitationserscheinungen verursachen erhöhte Geräuschpegel und können zu starkem, lebensdauerbegrenzendem Verschleiß von Bauteilen führen. Da es nicht „die“ Kavitation gibt, muss zwischen verschiedenen Kavitationsformen unterschieden werden.

Kavitationsformen

Im Folgenden werden die unterschiedlichen Kavitationsformen vorgestellt und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Verhalten hydraulischer Systeme beleuchtet. Diese i. d. R. betriebspunktabhängigen Phänomene lassen sich heutzutage bereits während des Konstruktionsprozesses durch 1D-Simulation abbilden, sodass die Kavitationsneigung einer Anlage bereits vor dem Bau überprüft werden kann.

Die Vorstellung der einzelnen Kavitationsformen erfolgt am Beispiel der Strömung durch einen generischen Widerstand. Zur Einführung wird zunächst die Situation ohne Kavitation diskutiert.

Im nebenstehenden (englischsprachigen) Video finden Sie den Inhalt dieser Seite als Webinar.

Kavitationsfreie Strömung

Die in den Widerstand einströmende Flüssigkeit (Index „1“ in der nebenstehenden Abbildung) besitzt eine bestimmte Gesamtenergie, die sich additiv aus den Beiträgen der potenziellen Energie (proportional zum statischen Druck) und der kinetischen Energie (proportional zum Quadrat der Strömungsgeschwindigkeit) zusammensetzt.

Nach dem Gesetz von Bernoulli ist die Gesamtenergie entlang einer Stromlinie konstant. Der Widerstand reduziert die durchströmte Querschnittsfläche, sodass die Strömungsgeschwindigkeit wächst – der statische Druck nimmt entsprechend ab. Der Querschnitt mit der höchsten Geschwindigkeit – die sog. „Vena contracta“ – entspricht daher der Stelle mit dem niedrigsten statischen Druck.

Nachdem die Flüssigkeit die Vena contracta passiert hat, sinkt die Strömungsgeschwindigkeit wieder und der statische Druck steigt an. Aufgrund von Strömungsverlusten wird der statische Druck  hinter dem Widerstand jedoch geringer als der Vordruck  ausfallen.

Im Allgemeinen führt eine Erhöhung des Volumenstroms durch den Widerstand zu einer Erhöhung des Druckverlusts. Diese Regel gilt auch in umgekehrter Richtung: Vergrößert man die aufgeprägte Druckdifferenz, so wächst der Durchfluss. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass dieser Abhängigkeit eine obere Grenze gesetzt ist, d. h. eine Erhöhung der Druckdifferenz ab einem bestimmten Wert nicht mehr zu einem Anstieg des Volumenstroms führt. Wieso ist das so?

Höhere Volumenströme führen zu höheren Geschwindigkeiten und damit niedrigeren Drücken in der Vena contracta. Fällt der lokale Druck unter ein bestimmtes Niveau, treten Phänomene auf, die allgemein als „Kavitation“ bezeichnet werden. Abhängig vom physikalischen Mechanismus können drei Kavitationsarten unterschieden werden: Dampf-, Gas- und Pseudokavitation. Zunächst wird die Dampfkavitation vorgestellt.

Dampfkavitation

Wenn der lokale Druck in der Vena contracta unter den temperaturabhängigen Dampfdruck der Flüssigkeit fällt, bilden sich Dampfblasen. Nach Durchströmen des engsten Querschnitts kollabieren die Blasen fast augenblicklich, da der lokale Druck den Dampfdruck wieder übersteigt (siehe nebenstehende Abbildung). Das Phänomen der druckabhängigen Bildung und des anschließenden Kollapses von Dampfblasen wird als Dampfkavitation (Kavitation im engeren Sinne) bezeichnet.

In den meisten Fällen ist Dampfkavitation ein unerwünschtes Ereignis, da sie die Durchflussrate durch Ventile und Widerstände begrenzt (engl. „Choking“) und Lärm, erosive Komponentenschäden und Rohrvibrationen verursacht. Die direkten Auswirkungen von Dampfkavitation sind meistens auf die Gebiete mit p < pv und deren unmittelbares Umfeld begrenzt.

Gaskavitation

Auch wenn die lokalen Drücke nicht auf Werte unterhalb des Dampfdrucks abfallen, kann oft ein ähnliches Strömungsbild wie bei der Dampfkavitation beobachtet werden.

Flüssigkeiten, die Luft oder anderen Gasen ausgesetzt sind, können einen bestimmten Anteil des jeweiligen Gases absorbieren. Die Fähigkeit, Gase zu lösen, sinkt mit abnehmendem Druck (Henry-Gesetz). Wenn eine mit gelöstem Gas beladene Flüssigkeit den Widerstand durchläuft und der Druck in der Vena contracta unter einen bestimmten Druck (hier mit pα bezeichnet) fällt, wird ein Teil des gelösten Gases freigesetzt („Desorption“).

Im Gegensatz zur Dampfkavitation bleibt die Strömung stromabwärts des Widerstandes allerdings zunächst mit Gasblasen beladen, da die Rücklösung in die Flüssigkeit typischerweise deutlich mehr Zeit erfordert als das Ausgasen. Dies kann zu Problemen führen, da bereits kleine Mengen ungelösten Gases die Fluideigenschaften erheblich verändern. Da die Blasen mit der Flüssigkeitsströmung weitertransportiert werden, können sogar nicht kavitationsgefährdete Bereiche unter den Auswirkungen der Kavitation leiden.

Pseudokavitation

Auch ohne die Freisetzung von vormals gelöstem Gas kann ein kavitationsähnliches Phänomen auftreten. Wenn die einströmende Flüssigkeit bereits Gasblasen enthält, vergrößert sich ihr Volumen mit abnehmendem Druck innerhalb des Widerstandes (oder an einer anderen Stelle im Strömungsfeld) fast augenblicklich.

Nach Erreichen von Zonen mit höherem Druck schrumpft ihr Volumen wieder schlagartig zusammen. Das Phänomen des druckabhängigen Blasenwachstums und -schrumpfens ohne Absorption oder Desorption wird als Pseudokavitation bezeichnet.

Gemischte Kavitation

In praktischen Anwendungen treten typischerweise alle drei Kavitationsmechanismen gleichzeitig auf. Bei Mineralölen dominiert im Allgemeinen die Gaskavitation, während bei Anwendungen mit wasserbasierten Druckmedien aufgrund des vergleichsweise geringen Luftlösevermögens häufig die Dampfkavitation am ausgeprägtesten ist.

Die meisten Hydraulikflüssigkeiten sind mit einer bestimmten Menge an gelöstem und ungelöstem Gas beladen. Aufgrund niedrigerer Drücke an der Vena contracta (oder an anderen Engstellen im System) wird das Volumen des ungelösten Gases zunehmen (Pseudokavitation). Wenn zusätzlich Dampfkavitation auftritt, enthalten die neu gebildeten Blasen neben dem Dampf der Flüssigkeit bestimmte Mengen des zuvor gelösten Gases.

Nach Erreichen von Drücken p > pv verschwindet der Dampfgehalt der Blasen schnell, die Gasblasen bleiben jedoch erhalten – wie bei reiner Gaskavitation erfordert das Rücklösen des Gases in die Flüssigkeit einige Zeit. Die Blasen wandern mit der Strömung weiter stromabwärts, was aufgrund der veränderten Stoffeigenschaften zu Problemen führen kann.